
Kommentar von Webredakteur Sercan
Referent für den heutigen Abend ist Jörg Lau, ein renommierter Journalist der Wochenzeitung „Die Zeit“ und Vater von drei Töchtern. Die Schwarzkopf-Stiftung hat ihn zum Thema „Islamfeindlichkeit in Deutschland und in Europa“ eingeladen. Jörg Lau, dessen Themenschwerpunkt Außenpolitik ist, nimmt die Einladung an und soll honorarfrei zu dem Thema referieren und diskutieren. Das erklärt vielleicht auch, warum Lau sich verspätet und die Veranstaltung mit Verzögerung beginnt.
Zunächst gibt ein junger Moderator, ein Student der European Studies, wie oftmals in der Schwarzkopf-Stiftung, einen kurzen Einblick in den Lebenslauf Laus. Der Journalist hat dementsprechend Germanistik, Philosophie und später auch Geschichte studiert, war eine Weile Redakteur bei der „taz“ und ist seit 1997 bei der „Zeit“ beschäftigt und auch als Autor aktiv.
Sehr früh beginnt Lau seine Rede mit einem Selbstgeständnis – ein ungewohntes, aber sehr richtiges Verhalten. Er gesteht, dass er lange Zeit ein Verfechter von dem Grundsatz „Es gibt keine Islamfeindlichkeit“ war und seine Ansichten diesbezüglich vor etwa drei Jahren korrigieren musste – eine traurige Erkenntnis nach einer Phase der Reflexion, wie er findet.

Lau redet besonders energisch, wenn er über die Integrationsdebatte spricht. So, wie sie in den letzten Jahren hierzulande stattgefunden hat und noch stattfindet, sei sie viel mehr eine Ausschlussdebatte als eine ernst gemeinte Integrationsdebatte. Die Betroffenen werden „rausdefiniert“. Man könne sich beispielsweise die Faktoren ansehen, die solche Debatten auslösten: Darunter – eigentlich unwürdig, überhaupt genannt zu werden – der Thilo S. mit „Deutschland schafft sich ab“, die Mordserie des NSU oder die Beschneidungsdebatte. Gerade Letzteres sei mehr als nur unnötig gewesen. Die Debatte hat dazu geführt, dass die Betroffenen, zumeist jüdische und muslimische Mitbürger_innen, sehr enttäuscht wurden von ihrem Heimatland Deutschland. Das eigentliche Signal dieser Debatte sei es gewesen, den Betroffenen ganz klar zu zeigen, dass sie erst Teil vom Ganzen sind, wenn sie sich gegen ihre jahrtausend alten Traditionen und Bräuche stellen, sie ablehnen und schließlich so werden wie die, die bereits zum Ganzen zählen.
Am Rande erwähnt Lau auch die „Deutsche Islam Konferenz (DIK)“. Man brauche sich nicht wundern, wenn der aktuelle Dialog auf der DIK auf große Unzufriedenheit bei den Muslimen stößt. Sie soll nach Definition des Bundesinnenministeriums „eine bessere religions- und gesellschaftspolitische Integration“ ermöglichen, setzt aber bei der Konferenz diesen Jahres den Schwerpunkt auf das Thema „Sicherheit“. Es scheint so, als würde man immer mehr Kriterien schaffen, die erfüllt werden müssen, ehe man integriert sein bzw. werden könne. „Es kommt nie zu einem Ankommen“, so Lau.
Eine Ausnahme gebe es: Sobald jemand die Schule besucht, gute Leistungen erbringt, arbeitet und Steuern zahlt, ist er integriert und gilt als deutsch. Wenn es mal schlechter läuft, schaut man sich dann allerdings den Migrationshintergrund doch genauer an und reduziert die Betroffenen auf Migranten. Dieses Verständnis haben und leben viele bewusst und unbewusst. „Falsch.“, nach Lau.
Man brauche mehr Offenheit in den öffentlichen Diskussionen, „mehr Stimmen, die zu tragen kommen“. Sehr guter Vorschlag, denke ich mir, aber wie soll das geschehen? Ist nicht Lau einer der Menschen, die das maßgeblich beeinflussen können, wenn sie wollten? Was sollen wir Zuschauer großartig tun? Dass besonders aus muslimischer Sicht dieser Vorschlag schon lange gefordert wird, ist nichts Neues und auch ganz logisch. Schließlich ist es ja kein muslimischer Instinkt, sondern ein ganz normales Verhalten: Wenn über jemanden geredet wird und das Gerede nicht der Wahrheit entspricht, dann will dieser jemand natürlich auch selbst Position dazu beziehen und aufklären. „Warum tun sich die Medien also so schwer, über repräsentative Muslime zu berichten bzw. diese zu Wort kommen zu lassen?“, so auch die Frage eines jungen pakistanischen Imams aus dem Publikum. Lau, der die Frage nachvollziehen kann, weiß auch nicht wirklich auf die Frage zu antworten und sagt ausweichend, dass man als Journalist, egal wie viele Gegenbeispiele es gibt, eben auch über negative Ereignisse und die schlechten Beispiele berichten muss. Da kann es also schon sehr gut vorkommen, dass die guten Beispiele ein wenig untergehen. Lau steht aber dem Fragenden insofern zur Seite, als dass er gesteht, dass viele Medien versuchen, dem Leser bzw. Zuschauer ein bestimmtes Bild zu vermitteln. Er erinnert in diesem Kontext an die Titelbilder vom Spiegel, die mit einer Hetzkampagne zu vergleichen seien. Der Journalist fügt aber hinzu, dass sich auch in der Medienwelt einiges verändert. So versuchen wohl viele Zeitungen darauf zu achten, dass verstärkt auch Muslime in den Redaktionen sitzen und schreiben.
Das mag zwar stimmen, nur hat die muslimische Community, wo ich mich auch selbst hinzu zähle, nicht viel davon mitbekommen. Schlimmer sogar: Vorgestrige Sendung im ARD bei Anne Will mit dem Titel „Allahs Krieger im Westen“ schien leider erneut das Gegenteil zu beweisen, und das auch noch „passend“ zum 20. Jahrestag des Brandanschlags von Sollingen, wo fünf Menschen Opfer rechtsextremer Gewalt wurden. Aber Lau ist überzeugt, dass sich letzten Endes die Dinge positiv für beide Seiten entwickeln werden. „Auch die Kopftuchverbote werden noch fallen“ – momentan doch eher optimistisch, sehr bald hoffentlich aber auch realistisch.