
Es war einer dieser Momente, in denen sich die jungen Muslime des Projekts JUMA anerkannt und wertgeschätzt fühlen: Gleich zu Beginn des Gesprächs machte der Referatsleiter „Kirchen und Religion, Integration und Werte“ im Staatsministerium Dr. Michael Blume deutlich, dass er es für eine Selbstverständlichkeit hält, wenn muslimische Bürger des Landes auch im Haus des Ministerpräsidenten zu Gast sind:
„Wir hätten Sie auch woanders treffen können, aber wir wollten Sie hier treffen, wo sich in wenigen Tagen auch wieder die Vorkonferenz zum Kabinett trifft. Die meisten von Ihnen sind Deutsche im Sinne des Grundgesetzes und gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Das sollten Sie sich von niemandem absprechen lassen.“
Mehr als 20 interessierte JUMAner folgten der Einladung und nahmen am 17. Januar 2015 an dem spannenden Gespräch mit dem Referatsleiter teil, welches der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Klaus-Peter Murawski, ermöglicht hatte.
Eine Woche zuvor hatten sich die jungen Muslime getroffen, um das Gespräch vorzubereiten. Sie lasen Artikel und Studien des Religionswissenschaftlers Dr. Blume, überlegten sich Themenkomplexe und verteilten die Fragen. Und natürlich ging es dann in dem Gespräch auch um die Anschläge auf die Mitarbeiter des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo. Nicht nur Dr. Blume verurteilte die Tat, sondern auch alle Teilnehmer, die unterstrichen, dass ihr Verständnis vom Islam diametral solchen Taten entgegenstehe. Unser Gastgeber erzählte davon, wie er vor kurzem bei einer Veranstaltung um eine Schweigeminute bat und zahlreiche Besucher – Christen, Muslime, Juden und Konfessionslose – sich spontan die Hände gereicht hatten.
Es sei unbestreitbar: Jede Religion könne missbraucht werden und oftmals wurden bekannte Persönlichkeiten gerade von Anhängern ihrer eigenen Religion ermordet. Der Christ Martin Luther King, der Muslim Anwar as-Sadat, der Hindu Mahatma Gandhi oder der Jude Jitzchak Rabinseien sind nur einige Beispiele von Menschen, die mutig für den Frieden über Länder- und Glaubensgrenzen hinweg eingetreten seien und durch Extremisten der je „eigenen“ Seite ihr Leben verloren hätten.
„Dass der Dialog eine Angelegenheit naiver und konfliktscheuer Gutmenschen sei, wie manche Verächter behaupten, stimmt einfach nicht. Im Gegenteil: Wer Brücken baut, bietet immer auch den Extremisten aller Seiten mutig die Stirn.“
Eine junge Muslima schilderte ihre Sorgen vor Übergriffen auf Glaubensgeschwister nach den Anschlägen. Ihre Freundin in Paris habe solche bereits erlebt. Einige Anwesende berichteten auch von Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihres Kopftuches etwa bei der Ausbildungs-, Arbeits- oder Wohnungssuche. Einigkeit herrschte darüber, dass sich die Ausgrenzung muslimischer Frauen wiederum negativ auf die Familien und das Zusammenleben auswirke.
Laut Dr. Blume sei das beste Mittel Michael Blume im Gespräch mit den JUMAs BaWü gegen Ängste und Ressentiments, dass sich Menschen unterschiedlicher Religionen persönlich begegnen.
Nicht zufällig gebe es auch in Deutschland die größten Vorurteile gegen Migranten und deren Kinder, wo die wenigsten Zuwanderer lebten. Das war nicht einfach so daher gesagt, denn nicht umsonst war Dr. Blume als evangelischer Christ auch Mitbegründer der Christlich-Islamischen Gesellschaft in der Region Stuttgart und lebt sogar in seiner eigenen Familie den interreligiösen Dialog: seine Frau ist deutsch-türkische Sunnitin. Gefragt nach den Aktivitäten der Landesregierung in Bezug auf Begegnungen mit Muslimen wies er auf das Modellprojekt des Islamischen Religionsunterrichts, den jährlichen Iftar-Empfang (Fastenbrechen) von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, das Zentrum für islamische Studien in Tübingen und auf den Runden Tisch Islam mit der Integrationsministerin Bilkay Öney hin. Für das Zusammenleben komme es aber nicht nur auf das Regierungshandeln, sondern auch auf die Kirchen und Zivilgesellschaft an.
„Es gibt in der Landespolitik einen großen Konsens der demokratischen Parteien, dass der Dialog mit Muslimen vertieft werden sollte. Gleichzeitig wird zwischen und auch in den Fraktionen intensiv über einzelne Schritte diskutiert. Ich darf Sie daher ausdrücklich ermutigen, auch das direkte Gespräch mit Ihren Wahlkreisabgeordneten zu suchen, denn nicht die Regierung, sondern das Parlament beschließt die entscheidenden Gesetze.“
Die vielen spannenden Gesprächsthemen wollten kein Ende nehmen. Im Gegenteil, je länger die Diskussion dauerte, desto lebhafter wurde sie und desto mehr beteiligten sich. Kein Frage, es wäre toll, Dr. Blume irgendwann ein zweites Mal zu treffen.