
Junge Muslime stellten Fragen an Politiker
Vor der Bundestagswahl gab es ein interessantes Treffen im Pergamonmuseum in Berlin im Rahmen unserer Anerkennungskampagne. Zu diesem Treffen waren Swen Schulz (SPD), Christoph Brzezinski (Junge Union Berlin), Axel Bering (FDP), Klaus Lederer (Die Linke) Özcan Mutlu (Grüne) und Fazli Altin (Islamische Föderation in Berlin) eingeladen. Moderiert wurde die Veranstaltung, die in Form einer Fishbowl-Diskussion stattfand, von Ali Aslan (Deutsche Welle TV).
Was zeichnet eine Fishbowl-Diskussion aber eigentlich aus? Es bietet dem Zuschauer die Möglichkeit, aktiv an der Diskussion mit den Podiumsgästen teilzunehmen. Hierfür steht über die gesamte Veranstaltung ein freier Sitzplatz neben den Diskutanten zur Verfügung, den man als Zuschauer beanspruchen kann, um seine Ideen, Fragen und Argumente in die Diskussion miteinfließen zu lassen.
Am Anfang der Veranstaltung folgte eine Begrüßung des Direktors des Museums für Islamische Künste. Er erzählte, wie wertvoll die jahrhunderte alte Kunst sei und dass sie eine Bereicherung für unsere heutige Kultur darstelle. Nach der Begrüßung folgte der schön gemachte und etwas emotionale Trailer unserer Kampagne. Anschließend gab es von Prof. Heinrich einen kurzen Input über die rechtliche Entwicklung der Religion vom Mittelalter bis heute in Deutschland.

Es ging flott zur Sache
Der Moderator eröffnete die Gesprächsrundemit einer schwerwiegenden Frage: „Hat die Politik versagt, sodass es heute einer Anerkennungskampagne wie dieser bedarf?“ Schulz gab zu, dass zum einen die Politik versagt habe, jedoch ebenso die Gesellschaft als Ganzes. Ob wir eine Rückentwicklung haben aufgrund des Satzes, der Islam gehöre zu Deutschland, wies Brenzenski klar ab. Dieses Statement habe man von ihm aber erahnen können, da es heutzutage absurd und nicht mehr zeitgemäß sei, zu behaupten muslimische Bürger gehörten nicht zu Deutschland. Viele Muslime nicht deutscher Herkunft besitzen nämlich die deutsche Staatsangehörigkeit und sind ebenfalls hier geboren.
Davon abgesehen bedeutet muslimisch sein nicht, einem bestimmten Volk oder einer Nation anzugehören, sondern vielmehr das Bekennen zur islamischen Religion. Bering empfand es beschämend, dass es eine Kampagne wie diese geben muss. Diskriminierung betreffe nicht nur Muslime. Sie solle überall abgebaut werden. Schockiert war er über die Diskriminierung der muslimischen Frauen, sei es im Beruf oder im Alltag. Lederer bezeichnete zynisch den Verlauf der Debatte als abenteuerlich. Er verstehe nicht, dass immer noch darüber diskutiert werde, trotz der schrecklichen Ereignisse wie die NSU Morde und die Benachteiligung der Muslime. Es sei noch „verdammt viel zu tun“.
Altin hob hervor, dass Muslime Leidtragende in der Gesellschaft seien. Man diskutiere viel, aber was verändern tue man nicht. Daraufhin schlug Mutlu vor, die islamische Geschichte aufzuarbeiten. Die Abbildungen von Kreuzzüglern in Geschichtsbüchern seien unverschämt, wenn man bedenke, dass in Schulen die Vorfahren der muslimischen Schüler durch solche ums Leben kamen.
Dauerbrenner: Das Kopftuch
Natürlich durfte die lästige und unsinnige Debatte über das Kopftuch nicht fehlen. Es gehört mittlerweile fast zu jeder Diskussion über den Islam dazu. Wo in anderen Ländern das Kopftuch im öffentlichen Dienst, wie beispielsweise in Großbritannien, gar kein Problem darstellt, wird hier zulande immer noch drüber debattiert. „Darf eine muslimische Lehrerin an deutschen Schulen ein Kopftuch tragen oder nicht?“ Lederer stellte klar: „Kopftücher müssen in Deutschland erlaubt sein“. Er zog dabei Vergleiche mit dem Kruzifix in Klassenzimmern in Bayern. Es hieße, man müsse eine neutrale und konfessionsfreie Position in Schulen einnehmen.
Dabei wies Lederer darauf hin, dass Menschen keine Objekte seien und somit nicht „neutral“ sind.Brzezinski konterte, dass Kinder beeinflussbar seien und es deshalb nicht möglich ist, mit einem Kopftuch als Lehrkraft zu unterrichten. Später trat eine muslimische Jurastudentin auf die Bühne und erzählte über ihre Absicht als erste Richterin mit Kopftuch arbeiten zu wollen. Sie erntete dafür viel Applaus vom Publikum. Lederer sehe langsam eine Änderung der Haltung zum Kopftuch in der Politik und er sei optimistisch, was die aktuelle Tendenz angehe.“Es ist jedoch noch ein schwerer Weg, bis zur endgültigen Aufhebung des Kopftuchverbots“, so Lederer.
Was tun gegen islamfeindlichen Rassismus ?
Bering griff wiederholt auf, dass Rassismus nicht nur Muslime betreffe. Schulz möchte sich gegen islamfeindlichen oder anderen Rassismus einsetzen. Auch möchte er sich dafür einbringen, dass Thilo Sarrazin von der SPD ausgeschlossen werde. Zum Schluss erwähnte Altin, u.a. bezugnehmend auf Bemerkungen Mutlus, dass man Begriffe wie z.B. Scharia nicht verwenden solle, wenn man ihre Bedeutung nicht kenne.
Am Ende der Fisbowl-Runde gab es noch die Gelegenheit mit den Gästen bei einem Buffet zu sprechen. Die größte Zustimmung vom Publikum fand Lederer. Die geringsten Zustimmungen bekam Herr Mutlu. Was mir bei der Diskussion auffiel war, dass man sich bei vielen Fragen an die Podiumsgäste bereits die Antworten im Vorherein denken konnte. Das lag aber nicht an den Fragen, sondern an den Antworten der Politiker, welche sehr allgemein oder vage gehalten waren und vermutlich auf das Publikum ernüchternd wirken sollten. Was mir zudem auch auffiel war, – sowie bei vielen anderen Treffen mit Entscheidungsträgern im Rahmen von JUMA – dass die Gäste vermutlich nicht erwartet haben, wie selbstbewusst und kompetent die jungen muslimischen Teilnehmer auftraten.
Diesen Eindruck hatte ich besonderes am Ende der Veranstaltung. Zwar wurde es nicht konkret geäußert, aber bei der einen oder anderen Persönlichkeit konnte man das Erstaunen an ihren Gesichtern ablesen. Für mich persönlich ist das ein Beleg dafür, dass man noch immer ein bestimmtes, voreingenommenes, meist negatives Bild im Gedächtnis hat, wenn es um Muslime geht. Es steht noch viel Arbeit bevor was das angeht, aber mit dem JUMA Projekt haben wir es immer wieder geschafft, Vorurteile und voreingenommenen Ansichten abzubauen und ein authentisches Bild von jungen Muslimen zu vermitteln.