„Dies ist ein unmittelbarer Angriff auf meine Religion“

Wieder erschüttert ein Terroranschlag Europa. Diesmal trifft es unsere europäische Hauptstadt. Und wieder ist ein Nachbarland von uns betroffen. Diesmal trifft es leider Belgien, ein an sich schon gespaltenes Land zwischen Flamen und Wallonen. Ein Land, welches durch seine populäre Fußballnationalmannschaft zusammengehalten wird. 

Mich trifft dieser Angriff gleich doppelt, weil ich nicht nur als Mensch geschockt und betroffen bin, sondern v.a. als Muslim schlimmeres erahne. Dies ist ein unmittelbarer Angriff auf meine Religion, ein unmittelbarer Angriff auf den Islam und 99,9% der friedfertigen Muslime hierzulande in Europa. Wir dürfen das nicht zulassen und doch befürchte ich, dass eine kleine radikale Minderheit meine Religion mit den Füßen tritt und durch den Dreck zieht.

Und wieder einmal kommt uns dieser Terrorangriff extrem nah. Auch durch die mittlerweile wöchentlichen Anschläge in der Türkei fühlen wir uns solidarisiert, doch ist die Dimension eine viel größere, wenn unser unmittelbares Umland betroffen wird. Und so scheint es leider nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der belgisch-französische Diskurs eines Tages auch zu uns nach Deutschland hinüberschwappt, sollte unser Land bald selbst Opfer eines Anschlags werden.

Dies wäre wiederum eine andere Dimension, eine Dimension, der ich genauso mit Ängsten und Sorgen gegenüberstehe wie vermeintliche „Wutbürger“ gegenüber „fremden“ Migranten. Diese Dimension würde unseren Diskurs hierzulande drastisch verändern und uns Muslime sehr weit zurückwerfen in der ehrenamtlichen Arbeit, die wir hier verrichten. Wir müssten uns wieder rechtfertigen für unsere Religion und uns von all dem Terror distanzieren, auch wenn für uns nie irgendwelche Verbindungen zu solchen Gräueltaten bestanden. Dann würde jeder einzelne von uns extern zum „Islamexperten“ deklariert werden und müsste auf theologischer Ebene einer dann in einer ganz anderen Dimension aufkeimenden Islamdebatte standhalten.

Diesen Diskurs fürchte ich, und genau deshalb müssen wir Muslime in dieser angespannten Situation mehr tun als je zuvor, um das medial geprägte Bild unserer Religion zurechtzurücken. Wir als deutsche Gesellschaft müssen diesem Terror auf theologischer, politischer und v.a. zivilgesellschaftlicher Ebene entgegentreten und dürfen uns weder verunsichern noch spalten lassen.

Von Yunus

 

„Wenn jetzt eine Kluft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen aufreißt, dann haben die Terroristen tatsächlich ihr Ziel erreicht.“

Was in Brüssel geschehen ist, ist einfach nur grausam. Unschuldige starben, Familien trauern, die Religion von 1,5 Milliarden Menschen wird missbraucht und in den Schmutz gezogen, es entsteht nur mehr Hass. Es ist nun die Aufgabe von uns allen, dass wir dieser krankhaften Ideologie, die mit Gott und Islam nichts gemeinsam hat, zusammen die Stirn bieten. Wenn jetzt eine Kluft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen aufreißt, dann haben die Terroristen tatsächlich ihr Ziel erreicht.

Von Byron

 

„Es fühlt sich an, als wäre es nicht genug, einfach nur bestürzt und betrübt zu sein“

Dieser Tage scheint ein Dilemma durch: Positionen können durch Rollen verkannt werden. Du kannst für eine Sache einstehen und trotzdem wird ihr Gegenteil, wogegen du vehement arbeitest und hinsteuerst, manchmal und von manchen eben auch mit dir verbunden. So ist man etwas, wofür Dinge und Geschehnisse stehen sollen, die einem mit jeder Faser ja eigentlich widerstreben. Wie zum Beispiel Terror, das Bestreben nach einem Zerfall des friedlichen Miteinanders, das in der Agenda von Gruppierungen fest verankert ist, deren Namen identisch mit Segmenten des eigenen Lebens sind. Wie der Islam des Islamischen Staates, der mit dem Islam, den ich kenne absolut nichts gemein hat.

Zweifelsohne hat man mit alldem nichts zu tun, und dennoch; die Realität ist, es geschieht unter Fahnen, die im Endeffekt bloße Symbole für deine Zugehörigkeiten sind. Denn auf dem schwarzen Terroristenbanner der ISIS prangt das Prophetensiegel, welches bloß Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses ist, ein Fundament des Muslimseins. Der langsamen Ausweitung terroristischen Kalküls zuzusehen ist schmerzhaft, noch schlimmer ist zusehen zu müssen, wie unter dem Deckmantel der eigenen Religion Menschenleben sinnlos ausgelöscht werden, Panik und Angst geschürt wird.

Und mittendrin stehen all jene, die in klarer Distanz stehend den Augenblick der Assoziation fürchten. Es ist sinnlos, aber es ist da, der Unterschied der Empfindungen auf die tragischen Entwicklungen. Im Gegensatz zu anderen sind meine gemengt mit der Präsenz von Gewissen, einer regelrechten Bredouille und einem darauffolgenden Pflichtgefühl, etwas, ja irgendetwas tun zu müssen – gegen diese Zweckentfremdung von identitären Fragmenten meiner Selbst. Es fühlt sich an, als wäre es nicht genug, einfach nur bestürzt und betrübt zu sein. Begriffe wie „Muslima“ bergen viel mehr in ihren suggestiven Worthülsen, als sie eigentlich auszudrücken vermögen. Oft bieten einfache Schlagwörter mit impliziter politischer Eingebundenheit eine enorm große und eben auch negative Plastizität.

Denn Begriffe sind mächtig, sie markieren Gewisses als Bestimmtes und prägen diese dann unterschwellig in den Köpfen der anderen. Viel kann man auf Worten abladen, viel Schlechtes und wenig Temporäres. Wenn sich Gedankenverbindungen in stillem Einvernehmen einmal etablieren, bleiben diese meist haften. Politik und Kriege nagen dann an Morphologie und Phonetik, Worte verbleiben nicht mehr in ihrer bloßen Bedeutung, stark beladene können sich beim Rezipienten als ganze Subtexte und Vermutungs- und Verdachtsmodelle entblößen.

Von Büsra