
Wie soll die Zukunft Berlins aussehen? Das verhandelte die Humboldt-Viadrina Governance Platform, deren Präsidentin Gesine Schwan ist. Unter dem Motto „Aufbruch Stadt: Für zukünftige Infrastrukturen – Zuwanderung nach Berlin“ lud die Humboldt-Viadrina zu einem sogenannten Trialog ein. Unter der Begleitung von Medien und Wissenschaft trafen sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und organisierter Zivilgesellschaft. Für Juma war Aya Altaiar dabei.
Ein Schwerpunkt lag bei der Veranstaltung auf der Frage, wie die nach Berlin Geflüchteten in Zukunft gleichberechtigte Gesellschaftsmitglieder werden können. Für dieses Ziel setzt sich auch Jumanerin Aya Altaiar ein. Im Interview erzählt sie über ihre Motivation, ihre Erfahrungen bei der Flüchtlingsarbeit und darüber, wie mehr Anerkennung für junge Engagierte aussehen könnte.

Warum war es für dich wichtig, bei der Veranstaltung der Humboldt-Viadrina dabei zu sein?
Ich studiere auf Lehramt und trage ein Kopftuch. Mir ist klar, dass ich nach den jetzigen Bedingungen in Berlin nicht als Lehrerin arbeiten darf. Mir persönlich ist es wichtig zu zeigen, dass ich mich trotzdem engagiere und als Muslimin für das Gemeinwohl einbringe. Außerdem habe ich mich als Teil von Juma gefreut, dass die Humboldt-Viadrina zu denen gehört, die das zivilgesellschaftliche Engagement junger Muslime sieht und uns für die Veranstaltung ins Boot geholt hat.
Ein Schwerpunkt der Veranstaltung war die Frage nach dem richtigen Umgang mit Geflüchteten. Du engagierst dich in der Flüchtlingshilfe. Was tust du genau?
Ich bin seit Januar in einer Notunterkunft an der Osloer Straße tätig. Ich übersetze vom Deutschen ins Arabische und umgekehrt und helfe den Geflüchteten bei der Wohnungssuche. Außer mir engagieren sich noch zwischen zehn und 20 Personen aus meiner Gemeinde in der Flüchtlingshilfe. Zu meinen Aufgaben gehört es, diese Hilfe zu organisieren.
Was motiviert dich?
Ich wollte mich schon immer ehrenamtlich engagieren. Ich spüre eine besondere Verbindung zu den Geflüchteten. Meine Eltern kommen aus dem Irak. Wir sind Ende der 90er Jahre auch geflohen. Damals gab es kaum Übersetzer oder gleichsprachige Ärzte. Das hat sich mittlerweile geändert. Ich möchte dazu beitragen, dass sich die Bedingungen weiter verbessern.
Mittlerweile hat die Dauerberichterstattung über Flüchtlinge nachgelassen. Aber hat sich die Situation für die Geflüchteten geändert?
Am Anfang war die Situation in verschiedner Hinsicht katastrophal. Auch die Geflüchteten waren eingeschüchtert. Viele haben sich nicht getraut, die Unterkunft zu verlassen. Noch nicht einmal, um zum Arzt zu gehen. Das hat sich geändert. Die Leute wollen jetzt von sich aus mehr über die deutsche Gesellschaft erfahren und Teil von ihr werden. Sie möchten in Museen gehen, Sehenswürdigkeiten besuchen und die deutsche Geschichte kennenlernen.
Würdest du sagen, dass die Integration von Geflüchteten eine zivilgesellschaftliche Aufgabe ist?
Ja. Man hat aber auch bei der Veranstaltung der Humboldt-Viadrina Governance Platform gesehenen, dass sich die Zivilgesellschaft schon strak einbringt. Es gibt aber auch Aufgaben, die die Wirtschaft oder die Politik übernehmen müssen. Zum Beispiel brauchen die Geflüchteten Zugang zum Arbeitsmarkt. Dafür müssen ihre Kompetenzen anerkannt werden. Das ist Aufgabe, die die Politik übernehmen muss.
Was können Muslime für die Geflüchteten leisten, was andere vielleicht nicht leisten können?
Meine Erfahrung ist, dass Muslime eine besonderen Zugang zu vielen der Geflüchteten haben. Entweder über die Sprache oder die Religion oder über beides. Ich merke, dass mir die Menschen ein besonderes Vertrauen entgegen bringen. Sie reden offen mit mir über ihre Bedenken. Viele der Frauen zum Beispiel sagen zu mir, dass sie in ihrer Heimat Lehrerinnen waren oder andere Berufe hatten und jetzt eh nur zuhause bleiben werden, weil sie ja das Kopftuch tragen und damit keinen Job finden werden. Diese Befürchtung haben sie. Ich versuche sie dann zu ermutigen. Ich glaube es gibt eine Alternative zum Hausfrauen-dasein.
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„Ich glaube, dass mehr Anerkennung für das Ehrenamt nötig ist. Ich denke, das wäre auch für andere ein Anreiz, sich zu engagieren. Vor allem für Jungs und Männer wäre das ein Argument. Die achten nämlich viel mehr darauf, was auch für ihre Karriere gut ist.“
Auf dem Treffen wurde auch für mehr Anerkennung des Ehrenamtes geworben. Wie würde eine solche Anerkennung für dich aussehen?
Ich glaube auch, dass mehr Anerkennung für Ehrenamt nötig ist. Viele Muslime leisten etwas für die gesamte Gesellschaft, was leider noch zu wenig gesehen wird. Persönlich wünsche ich mir ein anerkanntes Zertifikat, das beweist, dass ich tätig war und auch bei Bewerbungen ins Gewicht fällt. Ich denke, das wäre auch für andere ein Anreiz, sich ehrenamtlich zu engagieren. Vor allem für Jungs und Männer wäre das ein Argument. Die achten nämlich viel mehr darauf, was auch für ihre Karriere gut ist.
Was ist deiner Meinung nach für eine gelungene Zukunft der Stadt nötig?
Ich würde mich freuen, wenn die verbindenden Aspekte der gesellschaftlichen Gruppen in den Vordergrund gestellt werden. Ein verbindendes Element ist ja zum Beispiel, dass sich die verschiedenen Gruppen gegenseitigen Respekt wünschen. Die Geflüchteten zeigen ihren Respekt für die Deutschen und ihre Werte übrigens schon alleine dadurch, dass sie sich dieses Land als als neue Heimat ausgesucht haben.