Der Schock und die Trauer über den Anschlag in Berlin sitzen tief. Drei JUMA-Teilnehmer*innen haben ihre Gedanken zu den Ereignissen zu Papier gebracht.

 

Von Yunus (JUMAner aus Berlin):

Montagabend. Es scheint ein ganz gewöhnlicher Abend zu werden. Ich bin unterwegs mit drei weiteren JUMAner*innen. Wir befinden uns auf dem Rückweg nach Hause, als die Ereignisse sich überschlagen. Erst die Ermordung des russischen Botschafters in Ankara, dann die Schüsse in einer Züricher Moschee, und letztlich, als wäre es die (negative) Klimax des Abends, der Anschlag in Berlin.

Es ist paradox, dass ich mich zum Tatzeitpunkt nur einige Kilometer weiter nördlich befinde. Es verstärkt das Gefühl, dass es mich hätte genauso gut treffen können. Dieser Anschlag erschüttert eine ganze Stadt. Es erschüttert Berlin, unsere Stadt und zugleich Sinnbild für die Pluralität unseres Landes.

Umso schöner sind die Reaktionen der (meisten) führenden Politiker*innen. Sie sind bedacht, konstruktiv und warnen vor voreiligen (Trug-)Schlüssen. Jetzt ist nicht der Moment, um über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel zu sprechen, vor allem auch, weil wir noch nicht einmal wissen, um wen es sich bei dem Täter oder den Tätern handelt und mit welchem Motiv sie möglicherweise gehandelt haben. Jetzt ist nicht der Moment, um gegenseitig mit dem Finger auf andere zu zeigen und sie für schuldig zu erklären. Jetzt ist nicht der Moment, um jeglichen Generalverdacht zu schüren. Jetzt ist der Moment, um gesamtgesellschaftlich ein Zeichen zu setzen, um zusammenzurücken, wie es uns der interreligiöse Gottesdienst in der Gedächtniskirche am gestrigen Abend eindrucksvoll gezeigt hat.

Mich hat der Terror (egal, welche Farbe er diesmal trug) am Montagabend eingeholt. Er wird es aber nicht schaffen, mich einzuschüchtern, mich zu verängstigen, mich irgendwie in meinem Alltag zu beeinträchtigen. Angst ist das falsche Mittel, welches den Tätern in die Karten spielt. Mein Beileid gilt all den Opfern und den Angehörigen, für die Verletzten bete ich um schnellstmögliche Genesung.

 

Von Neval (JUMAnerin aus Berlin):

Der Schmerz ist uns in diesen Tagen gewahr. Wie ein schwarzer Schleier zieht er sich um die ganze Welt und erreicht nun auch uns. Verdeckt all die Schönheit, all die Freude, die es in dieser funkelnden Winterzeit zu teilen gilt. Erst Aleppo, dann Kayseri, Zürich und schließlich unsere geliebte Stadt Berlin.

Eine Stadt, in der die stille Nacht mit strahlenden Lichtern auf den Straßen erhellt wurde. Eine Stadt, in der Menschen gemeinsam gelacht, gesungen, geteilt haben. Doch in diesen Stunden bleiben die Lichter erloschen und die Kerzen werden angezündet. Wir trauern um die unschuldigen Opfer dieses grausamen Angriffs gegen die Menschlichkeit. Die Betroffenheit ist groß und wir alle spielen mit dem Gedanken, dass auch wir hätten dort sein können. Familie und Freunde benachrichtigen einander, fragen, ob wir in Sicherheit sind und drücken ihr Kummer und Leid aus.

Dieses Gefühl ist nicht in Worte zu fassen.

Doch darf das uns nicht in ein Schwarz-Weiß-Denken führen. Wir dürfen keine Angst schüren, in dem wir nach einfachen Antworten suchen. Und vor allem sollten wir in diesen Stunden nicht die „Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken“, wie es der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer formuliert. Derartige Schuldzuweisungen bringen uns alle nicht weiter. Vielmehr müssen wir gerade jetzt Kraft schöpfen, unsere Solidarität zu bekunden und ein gemeinsames Zeichen für Frieden zu setzen. Lasst uns in diesen Tagen für Menschlichkeit, Aufrichtigkeit und Liebe einstehen. Lasst uns an eine friedliche Zukunft glauben und das Licht der Hoffnung erblicken.

 

Liebes Berlin, diese Zeilen schrieb ich dir einst und möchte sie dir heute widmen:

Berlin, du bist so wunderbar!

Mit deinen bunten Trachten erfüllst du mich fürwahr.

Ob auf dem Neuköllner Bolzplatz, in der Urania oder der Mall of Berlin,

in jeder Ecke verbirgt sich ein Geheimnis,

das es zu entdecken wert ist,

weshalb ich gerne bei dir bin.

 

Trotz dessen heißt auch bei dir: Muslim sein, anders sein.

Dabei ist es nicht das was zählt, Nein!

Du, Berlin, bist Teil unserer Identität.

Du bist es, das uns vereint, einander näherführt

– das ist, worum es eigentlich geht!

 

Und auch wir, Berlin, sind Teil von dir.

Durch unsere VIELFALT sind wir eine Gemeinschaft, ein WIR!

Drum sind es die Vorurteile nicht,

die uns fernhalten von solch Pflicht,

zu sein, wer wir wirklich sind.

 

Von Mediha (JUMAnerin aus Stuttgart):

Nach einem erfolgreichen Tag im Bundeskanzleramt haben wir hautnah erlebt, wie ein Terror-Anschlag UNSER zu Hause trifft. Es ist ein komplett anderes Gefühl, welches in mir tobt. Ich habe die Angst näher als zuvor gespürt.  Ich trauere mit den Hinterbliebenen und hoffe zutiefst auf eine Welt mit Frieden.