
Ich besuchte im Rahmen unserer JUMA-Aktion #weilduTeilbist am Freitag, den 14.07.2017, die Aktion „Wir kommen wählen!“. Organisiert wurde diese von der Landesarmutskonferenz Berlin. Die Aktion beinhaltete kurze Diskussionen mit verschiedenen Parteivertretern zum Thema Familienpolitik. Es fand im Café des TAM Familienzentrums in Berlin-Kreuzberg statt.
Die Atmosphäre war sehr locker. Überraschend fand ich das sehr geringe Besucheraufkommen. Es waren lediglich 7 Frauen zu Besuch sowie 2 Journalistinnen von der TAZ und dem Deutschlandradio Kultur. Ich selber war der einzige männliche Besucher. Politiker kamen von der Partei „Die Linke“, der FPD, der SPD und der CDU. Es war zwar noch der Besuch einer Kandidatin der Grünen angekündigt, die jedoch nicht erschien. Jeder konnte viele persönliche Fragen stellen, da immer nur 1-2 Personen je Politiker im Gespräch standen. Die meisten Politiker mussten leider etwa 1 zu nächsten Terminen weiter.
Zu Beginn wurden die Politiker in offener Runde zu einer bestimmten Situation aus ihrer Kindheit befragt: Vom Traumjob Cowboy (Husein, CDU), Sommerurlaube in den Alpen (Heil, FDP), Autofahrten in die Türkei (Kiziltepe, SPD) und dem ersten Fahrrad des damals fast neunjährigen Pascal Meiser (Die Linke) waren die ersten Aufwärmgespräche noch sehr entspannt.
Die anschließenden Gespräche wurden als Art „Speed Dating“ abgehalten. Die Besucher saßen jeweils an einem Tisch, während alle 8-10 Minuten die Politiker einen Tisch weiter wanderten.
Wenig überraschend war, dass alle Parteien, Familien unterstützen möchten und dafür u.a. Kindergelderhöhungen vorsehen. Weiter sehen alle Parteien den Bedarf zu mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit. Fragt sich eigentlich nur, warum dies nicht schon geschehen ist, wenn ein so breiter Konsens darüber herrscht.
Die Aussagen der verschiedenen Politiker für ihre Partei.
Cansel Kiziltepe (SPD):
Die erste Frage an Frau Kiziltepe richtete sich an die Tatsache, dass sie ihren Namen auf Flyern zusätzlich in Lautschrift abdruckt. Begründet hat sie das damit, dass viele nicht wüssten, wie sie ihren Namen korrekt aussprechen sollten.
zu Armut & Familie
Auf die Frage, was gegen die Armut von Familien und Kindern getan werden sollte, führte sie den Mindestlohn an. Es sei zwar eine große Errungenschaft, dass dieser eingeführt wurde, jedoch solle dieser weiter erhöht werden, damit Arbeit und Armut sich zukünftig ausschließen. Hierfür soll auch der Ausbau von Gewerkschaftsförderung dienen. Weiter plane die SPD einen einkommensabhängigen Kinderzuschlag von bis zu 150€ pro Elternteil zusätzlich zum Kindergeld. Profitieren würden hiervon vor allem gemeinsam erziehende Eltern, die bis zu 300€ pro Kind extra erhalten könnte.
Sollte eine R2G (Rot-Rot-Grüne) Koalition zustande kommen, würde die SPD gerne eine einkommensabhängige Kindergrundsicherung einführen. Diese solle statt Kinderzuschlag, Steuerfreibeträgen und Kindergeld gezahlt werden und beinhaltet eine Förderung von bis zu 512€ je Kind, zu dessen Bedürfnisdeckung, wie Essen, Kleidung und Freizeit. Die Kindergrundsicherung müsste jedoch beantragt werden und wird nicht an jeden gezahlt, damit sie nicht von Personen ausgenutzt wird, die diese nicht benötigen.
Weitere Ansätze zur Förderung von Familien sieht sie darin, dass auch Sozialversicherungsbeiträge gesenkt werden sollen. Finanziert werden diese Programme durch die Einführung einer progressiven Vermögenssteuer und der Erhöhung der Einkommenssteuer für höhere Einkommen.
Pascal Meiser (Die Linke):
zu Familie
Herr Meiser sieht Kinderarmut insbesondere als Folge der Armut ihrer Eltern. Deswegen setze die Linke, wie auch die SPD, sich für die Erhöhung des Mindestlohns und stärkere Gewerkschaften ein. Im Gegensatz zur SPD legt er sich hierbei auch auf ein Ziel fest. Beim Mindestlohn werden 12,00 € angestrebt. Auch solle der Hartz-IV-Satz erhöht werden. Eine Kindergrundsicherung sowie höhere Einkommenssteuer und Vermögenssteuer wurden auch von ihm angesprochen. Dabei wurde er auch in diesen Punkten konkreter als Frau Kiziltepe. Die von „Den Linken“ geplante Einkommensteuer solle niedrige Einkommen weniger belasten und dafür stärkere Einkommen ab ca. 80.000 € jährlich in den Fokus nehmen. Die Vermögenssteuer sieht vor, dass Vermögen ab der zweiten Million mit 5% besteuert werden. Hierdurch sollen bis zu 100 Mrd. € zusätzliche Einnahmen generiert werden, die zusätzliche Sozialleistungen und Investitionen in Bildung und Gesundheit finanzieren.
Angeprangert hat er die Tatsache, dass Kinderförderung aktuell proportional zum Einkommen geschehe. Festgemacht hat er dies daran, dass das Kindergeld an den Hartz-IV-Satz angerechnet wird, bei regulärem Einkommen jedoch von der Steuer abgesetzt wird. Er möchte dies genau andersrum regeln. Nämlich, dass Kindergeld immer zusätzlich zu Hartz-IV gezahlt wird. Jedoch solle das Kindergeld als reguläres Einkommen zählen, auf das ebenso Einkommensteuern abzuführen sein. Auch wenn dann theoretisch für jedes Kind das gleiche Kindergeld gezahlt wird, erhielten wohlhabendere Eltern praktisch weniger.
Ferner möchte er eine einheitliche Schulform von der 1. bis zur 13. Klasse, damit alle Kinder die gleichen Chancen erhalten und die Wahrscheinlichkeit für die Vererbung von Armut verringert werde.
Timur Husein (CDU):
Zu Familie
Früh gefragt wurde er, welche Maßnahmen seine Partei plane, um Alleinerziehende mit Kindern zu unterstützen. Dabei führte er den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz sowie die Planung von weiteren Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Grundschulalter an. Dass nicht jeder mit Anspruch auf einen Kitaplatz auch einen erhält, liegt in der Verantwortung der Kommunen. Der Bund stelle lediglich die Mittel bereit, während die Kommunen für die Bereitstellung von genügend Plätzen verantwortlich sind. Er wies aber auch darauf hin, dass der Staat die gesamte Arbeit in der Erziehung von Kindern übernehmen könne und Eltern generell eine andere Belastung haben als Personen ohne Kinder. Auf die Frage, ob Kindergeld gestaffelt oder in Abhängigkeit vom Einkommen der Eltern gezahlt werden solle, antwortete er, dass jedes Kind gleich viel wert sei und es somit keine Unterschiede geben solle, auch wenn es ein unterschiedliches Bedürfnis der Eltern am Kindergeld gäbe.
Ferner wies er darauf hin, dass verschiedene Unterstützungsangebote existieren, wie Kinderzuschläge und Steuerfreibeträge für Kinder, deren Inanspruchnahme manchmal leider an der mangelnden Qualifikation der Sachbearbeiter scheitere. Diese wären nicht immer vollständig über diese Angebote aufgeklärt, weswegen bei Nichtgewährleistung eine Beratungsstelle oder ein Anwalt aufzusuchen sei.
Zum Wohnungsmarkt
Da Armut auch durch zu hohe Mieten entstehe und der Neubau nicht alleine den Druck vom Wohnungsmarkt in der Innenstadt nehmen kann, befürwortet er den Ausbau von U-Bahn Verbindungen in Berliner Randbezirke wie z.B. dem Märkischen Viertel. Hierdurch sollen bessere Lebensbedingungen für das Wohnen in diesen Bezirken entstehen und verhindern, dass der Zuzug sich so stark auf die Innenstadt konzentriert.
Interessant
Besonders interessant fand ich eine Aussage am Ende von ihm. Die CDU überlege den Ausbau des Ehegattensplittings zur Förderung von Familien mit Kindern. Das Ehegattensplitting soll dabei in ein Familiensplitting überführt werden, wo das gesamte zu versteuernde Einkommen der Familie nicht nur auf die beiden Ehepartner aufgeteilt wird, sondern auch auf jedes Kind. Auch wenn dieses Konzept, laut eigener Aussage erst im Anfangsstadium sei und viele Kernfragen nicht beantwortet sind, frage ich mich, ob dadurch nicht besonders einkommensstarke Familien profitieren. Diese könnten ihre Steuerlast durch das Aufteilen auf mehr Köpfe überproportional verringern, da auf viele geringe Einkommen sehr viel weniger Steuern gezahlt werden, als auf ein bzw. zwei hohe Einkommen.
Herr Heil (FDP):
Zu Familie
Die FDP versuche insbesondere mehr Gerechtigkeit bei der Familienförderung zu erreichen. Sie setze sich zwar ebenso für mehr Personal in Kindertagesstätten ein und den vermehrten Bau von Wohnungen, möchte aber vor allem die Inanspruchnahme bereits vorhandener Förderung vereinfachen und damit allen ermöglichen. Anstatt neuer Förderungen sollen bestehende Anträge vereinfacht werden, damit die Förderung nicht mehr daran scheitere, dass Anträge zu kompliziert seien. Unterstützungen wie Bafög oder Kindergeld sollen einkommensunabhängig gezahlt werden. Dadurch werden Sachbearbeiter frei, die an anderer Stelle eingesetzt werden können, wie beispielsweise beim Ausfüllen von Förderanträgen für Kultur und Freizeit. Diese würden aktuell von nur 40% der eigentlich Berechtigten in Anspruch genommen.
Er gab jedoch auch zu, dass sozialpolitische Themen in einigen Ortsverbänden der FDP immer noch vernachlässigt würden, stellte jedoch Besserung in Aussicht sei.
Mein persönliches Fazit
Zusammenfassend sehe ich in der Förderung von Familien vor allem zwei Positionen bei den heutigen Gesprächen. Die eine ist, dass die Förderung ohne große Hindernisse allen zu Gute kommen soll, unabhängig von deren Bedürfnissen (CDU, FDP). Die andere ist, die gezielte Förderung von Einkommensschwachen, jedoch verbunden mit bürokratischen Hindernisse und der Gefahr, auch Bedürftige auszuschließen (SPD, Die Linke).
Alles in allem war die Aktion eine sehr angenehme Runde, in der ich gute Gespräche mit den Vertretern von vier Parteien führen konnte. Mir gefiel insbesondere die Möglichkeit viele eigene Fragen zu stellen und nicht darauf warten zu müssen, bis jemand anderes auch mal meine Fragen stellt. Die Diskussionen halfen mir eine persönliche Beziehung zu Politikern aufzubauen, die mir sonst beim Lesen von Interviews oder Berichten verwehrt bleiben.Auch wenn ich mir immer noch nicht sicher bin, ob und vor allem wen ich wählen werde, bestärken die hier gesammelten Eindrücke mich zumindest in dem Willen, mich weiter über die Wahl zu informieren.
Etwas Überraschendes hatte für mich, dass der Großteil der Personen vor Ort nichts mit JUMA anfangen konnte. Sie haben danach aber jeweils sehr interessiert nach unserem Internetauftritt bzw. unserer Facebookseite gefragt. Persönlich hat mich Hr. Husein am meisten überzeugt. Er war sehr sympathisch und hat sich auch die Zeit nehmen können, eine längere Diskussion mit mir zu führen.
Ich bin ziemlich ohne Erwartungen hingegangen, da dies der erste Besuch einer politischen Veranstaltung meinerseits war und ich nicht wusste, was mich erwartet. Vielleicht wurde ich auch deshalb sehr positiv überrascht und werde Aktionen mit ähnlichen Format ausdrücklich weiterempfehlen. Das TAM Familienzentrum eignet sich sehr gut auch unabhängig von Veranstaltungen zum Besuch mit kleinen Kindern.
Ein #weilduTeilbist Erfahrungsbericht von Mustafa A. A.