
Der Verfassungsschutz schützt die freiheitlich demokratische Grundordnung. Über die Medien und die Enthüllungen des NSU-Skandals haben viele den Eindruck, dass die Behörde auf dem rechten Auge blind sei und sich besonders auf Muslime konzentriere, einzig nur weil sie Muslime seien. Das lähmt viele junge Menschen sich zu engagieren. Diese Gefühle der Skepsis und Verschwörung wollten die Jumaner*innen schon lange zur Debatte stellen. Wie besser als mit einem Meet & Talk mit Dr. Benno Köpfer, Referatsleiter Analysegruppe Internationaler Extremismus und Terrorismus beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Schon lange war ein solches Meet & Talk von den Jugendlichen von JUMA gewünscht und Dr. Köpfer stellte sich am 21. September gerne zur Verfügung, um die vielen Fragen rund um die Aufgabe des Verfassungsschutz, den Umgang mit Rechtsradikalismus und dem NSU-Prozess, die Beobachtungskriterien und die Wahrnehmung der Verbände zu beantworten. Mit ihm kam ein sympathischer Vertreter seiner Behörde zu einem Meet & Talk von JUMA Baden-Württemberg. Interessant war nicht nur sein Aufgabengebiet, sondern auch sein Werdegang. Als Quereinsteiger kommt er eigentlich aus dem Studienbereich Ur- und Frühgeschichte, sowie Islamwissenschaften. Später war er Archäologe und begleitete Ausgrabungen z.B. in Syrien und im Jemen. Sein profundes Wissen über die muslimische Gesellschaft und seine offene Art auch schwierige Fragen zu beantworten, gewannen schnell das Vertrauen der Jugendlichen und ermöglichten ein abwechslungsreiches und interessantes Gespräch auf Augenhöhe.
Die Fragen hatten die über 20 Jumaner*innen bereits am Abend vorher im Rahmen des Vortreffens recherchiert und erarbeitet. Hinzu kamen Fragen, die die Community via Instagram dem Team als Inspiration schreiben konnte. So kam ein bunter Strauß unterschiedlichster Themengebiete und Frageinhalte zusammen. Besonders die Unsicherheit über eine Überwachung von Einzelpersonen nur aufgrund ihres Muslimseins beunruhigte die Anwesenden. Dr. Köpfer konnte diese Sorgen entkräften. Er beschrieb offen die Gründe für eine Überwachung z.B. wenn mit dem Engagement einer Gruppe auch eine politische Aktivität einhergeht, die den acht Prüfkritierien entspreche. Diese Kriterien erklärte er im Detailwie z.B. die Gewaltbereitschaft einer Gruppe, ihre Einstellung zur Demokratie etc. Ein entsprechender Anlass müsse ebenfalls gegeben sein, um überhaupt erst aktiv zu werden. Die Angst als Einzelperson beobachtet zu werden „nur weil man Muslim sei“ sei in den meisten Fällen völlig unbegründet, so Benno Köpfer. Sollte jemand fälschlicherweise überwacht worden sein, dann wird die Akte noch fünf Jahre aufbewahrt und im Anschluss gelöscht. Die Akten von Minderjährigen werden bereits nach zwei Jahren gelöscht.
Aus der Vergangenheit berichtete Dr. Köpfer, dass der stärkste Zuwachs in den Jahren 2005 bis 2012 der Salafismus gewesen sei. Aktuell nehmen jedoch die rechtsradikalen Strömungen zu.
Einige fragen immer wieder, warum es ein Vortreffen zu unseren Meet & Talks braucht und möchten diesen zusätzlichen Termin gerne umgehen? JUMA besteht jedoch darauf, denn ein Vortreffen hat sich in den letzten Jahren bewährt, um die Qualität der Fragestellungen zu erhöhen und damit ein Gespräch auf einem professionellen Niveau zu erreichen. Außerdem können sich so alle Teilnehmenden vorab intensiv mit der Thematik und der eingeladenen Person beschäftigen und ihre eigenen Fragen nochmals auf Relevanz überprüfen. Schließlich kann sich die Gruppe auch aufteilen und Themengebiete zielgerichtet mit mehreren Teilnehmenden moderieren. So kommt jede*r zu Wort. Wir hoffen auf weitere interessante Meet & Talks – gerne auch mit Personen, die Ihr uns als Vorschlag unter bawue@juma-ev.org nennt.
Wir danken Dr. Köpfer für diesen interessanten Vormittag und allen Teilnehmenden für die gute Vorbereitung.