“Von wegen Gleichgültigkeit – junge Muslime beteiligen sich in der Gesellschaft!”

Integration kann eine ganze Menge bedeuten. Die Jugendlichen der Themengruppe „Engagement“ zeigten, wie integriert sie sind, wenn sie sich in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Feldern einbrachten. Das kann der Umweltschutz, Bildung, Kriminalitätsbekämpfung, Gesundheit, Menschenrechte und viele andere Themen sein.
Gleichzeitig wurde untersucht: Welche Barrieren verhindern gesellschaftliches Engagement von jungen Muslimen? Wie können muslimische Gemeinschaften die Teilhabe der Jugendlichen fördern und wie können sich gesellschaftliche Institutionen wie z.B. Parteien jungen Muslimen noch mehr öffnen?

Kooperationen mit Nichregierungsorganisationen: Ob Greenpeace oder Einrichtungen zu Suchtfragen, die JUMA-Themengruppe arbeitete mit den unterschiedlichsten Akteuren in Aktionen und Projekten zusammen.
Begleitung der Wahlen: Die Teilnehmer schalteten sich bei Wahlen ein. Mit Wahlprüfsteinen und Podiumsdiskussionen sollte die Wahlbeteiligung von Muslimen angekurbelt werden. Zudem halfen die Jugendlichen in Wahllokalen und bei der U18-Wahl mit.
Gesprächsrunden: Auch in dieser Gruppe fanden Diskussionen mit Entscheidungsträgern aus Politik, Kultur, Wissenschaft und dem zivilgesellschaftlichen Bereich statt.
Planspiel Bundestag: Beim Planspiel Bundestag spielten die Teilnehmer einen Tag lang Bundestagsabgeordnete! Auf diese Weise lernten sie die wichtigsten Abläufe in unserem Parlament kennen. Jede/r Teilnehmer/in schlüpfte in die Rolle eines Politikers, vertrat dessen Positionen und begleitete den Gesetzesentwurf von der ersten Lesung im Plenum, über die vertiefte Auseinandersetzung im Fachausschuss des Bundestags, bis zu den abschließenden Debatten und Abstimmungen.

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Der Deutsch-Türke Melih Kesmen war der Pate dieser Themengruppe. Er kam 1975 im Ruhrgebiet zur Welt. Nach seiner Schullaufbahn studierte er zunächst Grafikdesign an der Fachhochschule Dortmund. Seinen kreativen Input setzte er mit Hilfe seines schöpferischen Talents ab dem Jahr 1998 in seine eigene Werbeagentur „Man at Work“ um. Zwischen 2004 und 2006 schnupperte Melih Kesmen Auslandsluft und zwar in London. Mit dem Tapetenwechsel übernahm er auch die Leitung des Kreativbereichs einer Agentur in der britischen Hauptstadt. Im Jahr 2008 gründete er als schöpferisch-intellektuelle Reaktion auf die Aufruhr um die Mohammed-Karikaturen das Streetwear-Modelabel „Styleislam“. Sein pesönliches Engagement gilt dem Dialog aller Kulturen und Religionen sowie der friedlichen Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber Muslimen. Seine Homepage: www.styleislam.com

Frage: In welchen Momenten Ihres Lebens haben Sie sich als Teil der Gesellschaft gefühlt? In welchen Momenten nicht?
Im Allgemeinen habe ich mich als ein Mitglied der Gesellschaft gefühlt. Der 11. September war auch für mich ein Wendepunkt. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass manch einer meiner Mitmenschen über mich dachte: Könnte Melih nicht auch ein potenzieller „Schläfer“ sein.

Moderatorin: Yasemin Bagci

Yasemin Bagci absolvierte das Studium der Erziehungswissenschaften und der Turkologie und ist ausgebildete Multiplikatorin und Dialogbeauftragte für interkulturelle und interreligiöse Zusammenarbeit bei der DITIB. Zudem ist sie Mitglied im Berliner Beirat für Familienfragen. Ehrenamtlich leitet sie Moscheeführungen und war bei dem Projekt Alif- Aleph- Alpha- Respekt ist der Anfang aktiv.

Yasmin hat langjährige Erfahrung in der interreligiösen und interkulturellen Arbeit mit Jugendlichen, was sie zur perfekten Moderatorin für unsere Themengruppe machte.

Gesellschaftliche Partizipation

17. Juni 2011. Straßentheater von JUMA und der Greenpeace Jugend auf dem Flohmarkt. Ein Mädchen hält ein Schild in die Höhe und ruft zum aktiven Umweltschutz auf. Darauf gießt eine weitere Vertreterin von Greenpeace zwei Giftmischungen in eine gelbe Tonne. Es folgt der Auftritt von Nasreen von der JUMA-Gruppe „Medien“, auch sie hält ein Schild und mahnt: Die Erde könnte sechs Mal mit dem bestehenden Plastik umwickelt werden. Jilali, JUMA-Gruppe „Engagement“, scheint das egal zu sein, er trinkt ein paar Plastikflaschen leer und wirft sie einfach auf den Boden, worauf Enes (ebenfalls von der Gruppe Medien) kopfschüttelt den Müll wegkehrt. Das ist der Zeitpunkt, an dem auch Wala, was zu sagen hat: Plastik brauch 200 Jahre bis zur vollständigen Zersetzung. Orhan, ein Meister des Schauspielfachs, zeigt, wie er als Delfin erst vergnügt durch die Weltmeere schwimmt, dann aber Opfer der Verschmutzung wird und erbärmlich untergeht. Den Schluss machen wieder zwei junge Aktivistinnen von Greenpeace mit Schildern. Auf einem steht: 267 verschiedene Tierarten fallen weltweit dem Müll im Meer zu Opfer. Das Publikum applaudiert.

Nicht nur in dem Straßencafé vom Hotel nebenan schauen die Menschen herüber. Viele Passanten bleiben stehen, gucken und kommen ins Gespräch mit den anderen aktiven Jugendlichen von JUMA und der Greenpeace Jugend. Keine Frage, das Schauspiel war der Höhepunkt der insgesamt drei Aktionstage „GRÜN VERBINDET“ von der JUMA-Gruppe „Engagement“ und der Greenpeace Jugend Berlin.

  1. Aktionstag: Umweltfestival
    Angefangen haben die Aktionen für den Umweltschutz mit dem Stand beim Umweltfestival am 5. Juni am Brandenburger Tor. Mehr als 20 junge JUMA-Teilnehmer betreuten den Stand. Im Vorfeld haben mehrere Jugendliche Text zu der Beziehung vom Islam zum Umweltschutz übersetzt. Dazu gehörte ein Interview mit der Konvertitin Kristiane Backer oder die erste Fatwa (islamischer Rechtsspruch) von Gelehrten zum Umweltschutz. Die Reaktionen der Besucher des Umweltfestival auf das Engagement der JUMA-Jugendlichen war überwältigend. Viele lobten es und meinten, dass sie Muslime auf diese Weise noch nicht wahrgenommen hätten. Viele andere Organisationen luden zu Kooperationen ein. Die Eigentümerin einer Buchhandlung bot sogar einen Ausbildungs- bzw. Praktikumsplätze an.
  1. Aktionstag: Freitagsgebete ganz im Zeichen des Umweltschutzes
    Die tollen Erfahrungen beim Umweltfestival sollten nicht die letzten bleiben. Während die JUMA-Jugendlichen beim Umweltfestival vor allem der gesamten Gesellschaft zeigen wollten, dass auch sie sich um Umweltschutz kümmern, sollte mit den Aktionen zu den Freitagsgebeten am 17. Juni 2011 speziell die eigene religiöse Community angesprochen werden. Die JUMA-Jugendlichen wollten Berliner Muslime für den Umweltschutz sensibilisieren. So erreichten sie es, dass in mehr als zehn Berliner Moscheen, die Imame in ihrer Freitagspredigt über Umweltschutz sprachen. Damit nicht genug, denn die JUMA-Teilnehmer Mohammed Hajjaj (24 Jahre) und Emre Yildiz (20 Jahre) hielten gleich selbst die Freitagspredigt!

Daneben gaben vor sechs Moscheen mehrere JUMA-Jugendliche gemeinsam mit Jugendlichen von der Greenpeace Jugend Berlin Auskunft über das Thema und verteilten wieder Infomaterialien. Dazu gehörte auch die von Jugendlichen publizierte Checkliste auf Deutsch und Türkisch.

  1. Aktionstag: Straßentheater und Aufräumaktion im Tiergarten
    Am letzten Aktionstag trafen sich insgesamt mehr als 50 Jugendliche der beiden Organisationen. Ausgerüstet mit Zangen, Mülltüten und Handschuhen durchquerten sie gemeinsam den Flohmarkt an der Straße des 17. Junis und sammelten Abfälle ein. Gleichzeit verteilten sie Informationen und kamen sowohl mit den Flohmarktbesuchern als auch mit den Händlern ins Gespräch. Dazu trugen die Meisten die JUMA-Umweltschutzshirts. Nach ca. einer Stunde führten die Jugendlichen das gemeinsame Straßentheater auf. Da sie unbedingt noch mehr Menschen erreichen wollten, zog die Umweltschutz-Karawane noch weiter zum Brandenburger Tor und führten auch dort die Szenen auf. Zumindest an der Straße des 17. Junis konnten die Jugendlichen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Asia, JUMA-Projektleiterin, besuchte am nächsten Tag den Flohmarkt und berichtete: Unsere Aktion war noch immer das Gesprächsthema Nr. 1!

Schlussabstimmung im Bundestag: Mit 16 Jahren schon wählen dürfen? Die meisten Arme gehen nach oben  – ganz klar, die Mehrheit der Abgeordneten ist für  den Gesetzentwurf. Es war das mit Spannung erwartete Finale des Planspiels Bundestag, an dem fast 30 Teilnehmer des JUMA-Projekts am 18. April im Deutschen Bundestag teilnahmen.

Führung
Der Tag begann mit einer Führung durch das altehrwürdige Reichstagsgebäude. Vorbei an den Graffitis sowjetischer Soldaten von 1945, als sie als erste Siegermacht Berlin einnahmen und u.a. ihre Namen in Wänden des Reichstags verewigten.

Weiter ging es zum Andachtsraum, der Gläubige der verschiedenen Religionen und auch Atheisten dazu einlädt  trotz der politischen Hektik zur Ruhe zu kommen und sich zu besinnen. Eine Stufe, die an der Südseite des Raumes entlangführt, zeigt Muslimen die Quibla – ihre Gebetsrichtung gen Mekka.

Ein weiterer Höhepunkt der Führung war natürlich der Plenarsaal. Die JUMA-Teilnehmer durften auf die Besuchertribüne und waren so den Sitzen der Kanzlerin und Abgeordneten ganz nah. Das war schon ein ganz besonderer Moment für die Teilnehmer.

Planspielbeginn: Wer bin ich?
Dann ging es mit dem Planspiel los. Jeder Teilnehmer bekam die Rolle eines Abgeordneten der vier Fraktionen Christliche Volkspartei, Arbeiterpartei Deutschlands, Liberale Reformpartei und Partei der sozialen Gerechtigkeit. Es bereitete den Jugendlichen sichtbar Freude, sich mit der neuen Identität auseinanderzusetzen. Da wurde z.B. aus dem 19jährigen Deutsch-Türken aus Wedding ein bayrischer Winzer mit drei Kindern.

Fraktionssitzung
In der ersten Fraktionssitzung kamen die Mitglieder der vier Parteien erstmals zusammen und berieten, wie sie sich zu dem Gesetzentwurf „Wählen ab 16 Jahren“ positionieren sollten.

Diskussionen in den Ausschüssen
Der Gesetzentwurf ging anschließend in den Innenausschuss (federführend) und Familienausschuss (mitberatend). Hier kamen die Fachpolitiker aus den Fraktionen zusammen und diskutierten lebhaft, teilweise hitzig, über die Details.

Beschlussvorlage der Ausschüsse
Am Ende der Ausschusssitzung stimmten die Abgeordneten über den Gesetzesentwurf ab. Aus dem Entwurf wurde nun eine Beschlussvorlage für das Plenum.

Lesung
Bei der Lesung im Plenum stellten alle Fraktionen noch einmal ihren Standpunkt vor. Dann wurde abgestimmt.

Gemeinsam gegen das Glücksspiel: Am 8. Juni 2012, also genau zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft, startete unter der Schirmherrschaft von Bundestagsmitglied Swen Schulz (SPD) die „Spiel sucht Opfer“-Kampagne. Auf der Website zur Aktion heißt es: „Schick  dich nicht ins AUS! Wer spielt, verliert nicht nur Geld, sondern auch Freunde, Familie und Zukunft. Zeig‘ dem Glücksspiel die rote Karte und uns deine Unterstützung!“ Der Hintergrund: Das Glücksspiel – darunter fallen auch Fußballwetten – wird schnell zur Sucht, und ehe man es merkt, ist man im Aus! So geht es 100.000 bis 150.000 Betroffenen allein bei uns in Berlin.

Gehörst du dazu oder kennst du jemanden, der betroffen ist? Stören dich Wettbüros und Spielcasinos in deiner Nachbarschaft? Dann mach mit. Mehr Infos zur Kampagne gibt es hier, und einen Artikel über die Aktion zum Beispiel hier.

So ähnlich lautet der Wahlaufruf Berliner Imame und muslimischer Verbände für die Bundestagswahlen 2013. Neben JUMA wirken bei diesem Projekt die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) und die Islamische Föderation in Berlin mit. Damit möchten sie die knapp eine Million wahlberechtigten Muslime motivieren von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen und über die Zukunft Deutschlands mitzuentscheiden. 

Schön und gut, wird sich manch einer denken – stellt sich nur noch die Frage, für welche Partei man denn nun sein Kreuzchen setzen soll. Hierfür könnt Ihr euch an den von den JUMAnern erstellten Wahlprüfsteinen orientieren, wo Parteien auf von uns gestellte Fragen zu Islamthemen Stellung nehmen.

Wählen? Ja, aber welche Partei?

Auch für die über eine Million wahlberechtigten Muslime stellt sich kommenden Sonntag die große Frage, welche Partei sie wählen. Neben den klassischen politischen Themen wie Umwelt, Soziales und Wirtschaft werden sie hierbei natürlich auch integrationsfördernde Vorschläge und die Meinungen der Parteien zu Fragen wie „Gehört der Islam Ihrer Meinung nach zu Deutschland?“ nicht vernachlässigen.

Allerdings ist es nicht immer einfach, die Positionen der Parteien zu diesen Fragen und Themen auf Anhieb zu erkennen. Das wissen auch die JUMAner. Und deswegen haben wir einige der zugelassenen Parteien zur Bundestagswahl 2013 zu Islamthemen befragt. Überraschende Ergebnisse wie sich bestätigende Klischees kamen dabei raus. Aber schaut selbst, wie sich CDU, Grüne, Linke, FDP, SPD und Piraten geäußert haben.