Viele junge Muslime kennen das Gefühl: Ein Blick in die Zeitung und die Enttäuschung ist groß. Wieder einmal wurde negativ über Muslimen berichtet. Die Teilnehmer der JUMA-Themengruppe „Medien“ legten das Gefühl der Ohnmacht ab und engagierten sich.
Die TeilnehmerInnen befassten sich mit folgenden Fragen:
Medienlandschaft: Wie unterscheiden sie die Medien? Gibt es vergebene Grundpositionen in der Berichterstattung über Muslime?
Arbeitsweise von Journalisten: Wie informieren sich Journalisten? Unter welchen Schwierigkeiten entstehen Berichte?
Einflussmöglichkeiten: Wie können sich junge Muslime Journalisten gegenüber effektiv verhalten?
In Gesprächsrunde analysierten die Teilnehmer gemeinsam Berichte von ausgewählten Journalisten. Spannend wurde es dann im Anschluss, wenn die Teilnehmer die Autoren treffen und ihre Kritik äußern können. Der Besuch einer Redaktionskonferenz, wo die Journalisten darüber diskutieren, welche Themen am nächsten Tag in der Zeitung stehen, gab einen exklusiver Einblick in die Arbeit von Journalisten. Die Teilnehmer übten sich in PR-Arbeit und lernten, wie sie Pressemitteilungen schreiben können, die nicht gleich im Papierkorb landen. Sie organisierten eine Pressekonferenz und meldeten sich bei öffentlichen Debatten über den Islam in ihrem Blog öffentlich zu Wort.
Geholfen haben den TeilnehmerInnen dabei die AG eigene Patin und Moderatorin.

Patin Kübra Gümüsay war Kolumnistin bei der Tageszeitung „taz“, schrieb als freie Journalistin für verschiedene Publikationen und betreibt den Blog www.ein-fremdwoerterbuch.com. Sie studierte Politikwissenschaften in Hamburg und hatte zuvor an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London studiert. Kübra ist Gründungsmitglied von „Zahnräder“, einem Netzwerk von engagierten und aktiven Muslimen in Deutschland und heute engen Kooperationspartner von JUMA. Zudem arbeitet sie als Social Media Beraterin für Unternehmen und Organisationen, seit Herbst 2013 berät sie die Saïd Business School der University of Oxford im Bereich Social Media, Innovation und Community Building. Aktuell ist sie außerdem Botschafterin gegen Rassismus der Antidiskriminierungsstille des Bundes.
Frage an Kübra: In welchen Momenten Ihres Lebens haben Sie sich als Teil der Gesellschaft gefühlt? In welchen Momenten nicht?
Es gibt nicht die Gesellschaft. Es gibt aber Gesellschaften, in denen ich mich akzeptiert und gleichwertig fühle, und Gesellschaften, in denen das nicht der Fall ist. Aber: Ich fühle mich immer dann als Teil der medialen Gesamtgesellschaft, wenn man mit mir über mich auf Augenhöhe spricht, und immer dann als ein Fremdkörper, wenn mit Fachfremden über meinen Kopf hinweg über mich diskutiert wird.
Moderatorin Nikoletta Schulz hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der FU und Hungarologie an der HU Berlin studiert. Zur Zeit ist sie Mitarbeiterin beim Violence
Prevention Network e.V., wo sie sich im Projekt „Maxime Wedding“ in der interkulturellen und interreligiösen Bildungsarbeit engagiert. Daneben ist sie ehrenamtlich Moscheeführerin in Berlins größter Moschee in Berlin-Neukölln, der Sehitlik-Moschee, wo sie seit Jahren die unterschiedlichsten Gruppen aus Schulen und anderen Institutionen über die Lebenswelt von Muslimen und ihrer Alltagspraxis aufklärt. Außerdem ist sie seit vielen Jahren für den Verein Lichtjugend aktiv, der 2010 als “Botschafter für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet worden ist.

AG Medien – Von der bloßen Kritik zum professionellen Umgang
- Lau nimmt sich ZEIT für JUMA
- Meng: ``Ihr habt richtig Power!``
- Angriff auf 15-Jährige mit Kopftuch
- Neue kritische Leser für den Spiegel
- Kommentar: Anschäge in Norwegen
Am 28. April 2011 besuchte die JUMA-Mediengruppe den ZEIT-Journalisten Jörg Lau im Hauptstadtbüro in der Dorotheenstraße. Im Konferenzraum der Redaktion hatten wir eine Aussicht auf die Reichtagskuppel. Wir nahmen am großen Konferenztisch Platz, wo uns Herr Lau türkischen Tee anbot.
Zu Beginn erzählte Herr Lau über sein Leben. Einige von uns konnten sich mit seiner Lebensgeschichte identifizieren, denn er kam aus einer Familie, in der niemand ein Gymnasium besuchte. Er selbst stammt aus einer Art Flüchtlingsfamilie, da sein Vater aus der damaligen DDR in die BRD geflohen ist. Im Anschluss bekamen wir die Möglichkeit, Fragen an Herrn Lau zu stellen: es begannen lebhafte Diskussionen. In einer dieser Diskussionen, in der es darum ging, wann die Akzeptanz der Muslime, bzw. der Migranten mit muslimischem Hintergrund vollzogen sein wird, verglich Herr Lau die Lage mit den Ostdeutschen, die nach Westdeutschland kamen. Wenn die Migranten sagen: „Wir bleiben hier“ und die Einheimischen: „Ihr gehört hier her“, wäre die Akzeptanz vollzogen.
Auf die Frage, wo der Journalismus in diesem Prozess stehe, antwortete er damit, dass der Journalismus einen Rückschritt durch u.a. die Sarrazin- Debatte erhalten habe. Zudem ging er auf die Frage ein, was die Aufgabe eines Journalisten sei. Sie bestehe nicht darin, nur das Positive darzustellen, sondern auch darin Probleme und Schwierigkeiten aufzuzeigen. Ein guter Journalist benutzt mehrere Quellen und versucht objektiv zu bleiben, so Lau. Im Rückblick lässt sich sagen, dass es sehr interessant war, Jörg Lau kennen zu lernen: er war sehr offen und ehrlich. Sein Fazit dieses Treffens ist, das er sehr positiv überrascht war und sich gewünscht hätte, dass es solche Gesprächsrunden schon vor 10 Jahren hätte geben sollen. Nach einem abschließenden Gruppenfoto auf der Dachterrasse, ließen wir Ihn in seinen verdienten Feierabend gehen.
Autorin: Yasmin Saf
Am 20. Juni 2011 traf die JUMA-Mediengruppe Dr. Richard Meng, den Pressesprecher des Regierenden Bürgermeisters. Besonders interessiert verfolgten die Jugendlichen die Ausführungen Richard Mengs zum Thema Islam bzw. Religion allgemein. Unter anderem stellte er fest, dass die Religion eine private Entscheidung sei, nämlich ob und wie man an Gott glaube. Was das Ausüben der Religion angeht, gäbe es allerdings noch genügend „Gestrige“ und Radikale, gegen die man sich wehren müsse. Alle, dabei sprach er auch die TN an, insbesondere die vier jungen Damen, von denen alle ein Kopftuch tragen, sollten die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen mit gleichen Chancen und Möglichkeiten, wie alle anderen auch. Die Politik könne dafür Wege öffnen, indem sie sage: „Sie alle gehören dazu!“ Wie man diese Haltung nach außen präsentieren könne, sei wichtig.
Wichtig sei aber auch, dass man (als Muslim/Migrant) die deutschen Traditionen kenne und respektiere. Diese Feststellung führte zum Nachhaken seitens einer deutsch-arabischen Teilnehmerin, was Herr Meng unter deutschen Traditionen verstehen würde, ob es das Schützenfest, das Oktoberfest oder etwa Weihnachten sei. Selbstverständlich müsse man diese nicht praktizieren, stellte Herr Meng schmunzelnd fest, aber zumindest sollte man wissen wollen, was das ist. Er selbst sei zwar religionslos, da er sich von der Kirche distanziert habe, aber keinesfalls wertelos. Man dürfe sich gegenseitig nicht verachten, unabhängig von unterschiedlicher Religionszugehörigkeit oder differierenden Wertvorstellungen. Wie zwei Teilnehmerinnen aber feststellten, seien die Wertvorstellungen gar nicht so unterschiedlich, da man zum größten Teil an dieselben Propheten glaube.
Die Frage nach gemeinsamen Werten und Traditionen ließ uns auch im weiteren Verlauf nicht los. So wurde die spannende Frage diskutiert, was denn „typisch deutsch“ sei. Nach dem II. Weltkrieg sei diese Frage untergegangen, stellt Herr Meng fest. Dieses Land habe viele Brüche erlebt, Millionen von Menschen seien ermordet worden. Wir hätten die Verantwortung, es besser zu machen und das bedeute auch, offen zu sein. Die gemeinsame „Identität“ fehle manchmal in der deutschen Gesellschaft. Die Deutschen wollten nicht Deutsche sein, sondern Europäer. Die Migranten auf der anderen Seite, seien stolz Deutsche zu sein, sobald sie die deutsche Staatsbürgerschaft annähmen. Dies war auch eine Erfahrung der Grundsatzreferentin beim Innensenat Sawsan Chebli, wie sie uns berichtete. „Ihr sollt die Sprache lernen, aber so sein, wie ihr wollt!“ sei der Aufruf an die Migranten, so Meng.
Dies führte uns dann aber auch zu konfliktreicheren Themen, wie das „Problem“ von jungen Muslimen mit Homosexuellen, dem allerdings eine Teilnehmerin ein spannendes Projekt an ihrer Schule entgegensetzen konnte, oder auch der Problematik, wo sich die Grenzen von Kunst- und Pressefreiheit befänden, wie sich dies bei der Diskussion um die Aufführung der Oper Idomeneo oder dem Karrikaturenstreit zeigte – Themen, bei denen sich auch die anwesenden männlichen Teilnehmer aktiver beteiligten. In Deutschland sei man da sehr liberal und verfüge über ein breites Verständnis von Kunstfreiheit, setzte Herr Meng dem entgegen. Religion könne nicht alleine darüber entscheiden, was beleidigend sei.
Seit dem Nationalsozialismus habe sich in Deutschland eine Distanz zur Religion entwickelt, ebenso zum Nationalismus, was quasi auch eine Art Religion sei. So könne sich Herr Meng nicht vorstellen anlässlich der Fußballweltmeisterschaft eine deutsche Fahne an seinem Wagen zur Schau zu tragen im Gegensatz zum Beispiel zu seinen Kindern, die einer neuen Generation angehörten, die unbefangen sind von der deutschen Geschichte. Auch die Teilnehmer berichteten daraufhin, bei ihren Lehrern auf Unverständnis gestoßen zu haben, als sie anlässlich der Fußballweltmeisterschaft mit der deutschen Flagge auf ihre Gesichter gemalt durch die Stadt schlenderten. Eine palästinensische Teilnehmerin erzählte, dass sie eher die deutsche als die Hymne ihrer ehemaligen Heimat beherrsche. Als einen optimistischen Ausblick in die Zukunft stellte Herr Meng in den Raum, dass es womöglich einmal möglich sein werde, dass die israelische und die palästinensische Hymne gleichzeitig gespielt werden kann.
Unter anderem interessierten sich die Jugendlichen dann auch für einen typischen Tagesablauf von Herrn Meng, über den er mit Freuden und im Detail berichtete. Mehr noch waren aber die Teilnehmer erpicht darauf zu erfahren, wie Herr Meng zum Thema Kopftuch und der Möglichkeit mit dieser Art Bekleidung eine Karriere anzustreben, stehe. Dies veranlasste Herrn Meng, erst einmal ein Plädoyer zur erfolgsversprechenden Karriereplanung zu halten. Ganz besonders wichtig sei es, dabei nicht zu festgefahren vorzugehen. Er rief die Jugendlichen dazu auf, das zu machen, worauf sie Lust hätten, damit würden sie den meisten Erfolg erlangen. Das Kopftuchthema dagegen könne er nicht beurteilen. In der Gesellschaft werde das Kopftuch allerdings als Zeichen der Abgrenzung wahrgenommen. Es sei hier fremd, zumindest für seine Generation und setze ein bestimmtes Signal an die Gesellschaft. Eine Teilnehmerin setzte dem entgegen, dass sie Abitur mache, später auch studieren wolle und damit aus ihrer Sicht doch ein Schritt auf die Gesellschaft zu mache. Wie Frau Chebli hinzufügte, kann die deutsche Gesellschaft auf diese qualifizierten Frauen gar nicht verzichten. Dem stimmte Herr Meng zu, dies ändere allerdings nichts daran, dass in der Gesellschaft bestimmte Vorbehalte bestünden und das Kopftuch als konservativ und der Liberalität widersprechend angesehen wird. Dies konnte ein Teilnehmer aus eigener Erfahrung bestätigen, denn ein Kollege aus seiner Polizeisausbildung, bestand in einer Diskussion darauf, dass eine Frau mit Kopftuch nie integriert sein werde. Hier musste Herr Meng widersprechen. Integration und Assimilation werde in der Gesellschaft oftmals verwechselt oder vermischt.
Die JUMA-Teilnehmer haben bei Herrn Meng einen großen Eindruck hinterlassen, wie er in seinem Fazit feststellte: „Dieses Gespräch war für mich eine Überraschung, weil Sie richtig Power haben und man merkt, dass sie was erreichen wollen. Machen Sie weiter so!“
Folgender Artikel erschien am 05.03.2013 in der online-Ausgabe der Freien Presse:
Mädchen mit Kopftuch geschlagen und beleidigt Berlin/Dresden (dpa/sn) – Ein 15-jähriges Mädchen mit Kopftuch ist am Montagmorgen in der Südvorstadt in Dresden von einem Unbekannten beleidigt und geschlagen worden. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, war das Mädchen auf dem Weg zur Schule, als sie an der Bernhardtstraße von einem jungen Mann belästigt wurde. Er versuchte, ihr das Kopftuch herunterzureißen und beschimpfte sie mit islamkritischen Parolen. Dabei schlug er dem Mädchen laut Polizei auch ins Gesicht. Hier geht es zum kompletten Artikel
Zu dem Artikel hat Betül Ulusoy folgenden Kommentar geschrieben:
Ich kann mich noch daran erinnern, als sei es gestern gewesen. Ich spüre die Verzweiflung und die Wut wieder in mir auf brodeln, wenn ich an jenen Tag letztes Jahr im August zurückdenke, an dem Rabbiner Alter auf Grund seiner Religionszugehörigkeit auf offener Straße angegriffen wurde. An diesem Tag verarbeitete ich einen Teil meiner Gefühle in einem Bericht, der in Auszügen auch im Tagesspiegel veröffentlicht wurde.
Heute sitze ich wieder da – Voller Wut und Verzweiflung. Denn wieder hat es einen Angriff gegeben. Wieder geht es um die Religionszugehörigkeit, um Fremdenhass, um Rassismus. Diesmal nur trug das Opfer keine Kippa, sondern ein Kopftuch. Das Opfer, ein 15-Jähriges Mädchen auf dem Weg zur Schule, angegriffen, beschimpft, geschlagen ins Gesicht, bis die Nase blutete.
Damit reiht sich das junge Mädchen – post NSU und Marwa El-Sherbini – in eine ganze Serie rassistischer Übergriffe in Deutschland auf Menschen, die „anders“ sind, ein und ist, so zynisch das klingt, im Vergleich noch mit einem Blauen Auge davon gekommen.
Das ist unsere Schuld. Meine, deine, Ihre.
Solange in Deutschland noch immer solche Taten geschehen und wir Nachts dennoch seelenruhig schlafen können, wird sich in diesem Land auch nichts ändern. Es ist in unserer Verantwortung, bei jeder einzelnen dieser Taten aufzustehen, uns zu empören, Solidarität zu zeigen, den Opfern beizustehen, die Täter aufs schärfste zu verurteilen. Dieses Land muss beben nach jedem rassistischen Überfall – Solange, bis wir Nachts tatsächlich wieder ruhig schlafen dürfen.
Bericht einer Teilnehmerin:
„Für einen Moment war es still, als wir, die 25 Teilnehmer des JUMA-Projekts und der Spiegel-Redakteur Yassin Musharbash, uns am 20.Mai an den großen Konferenztisch im Innensenat setzten.
Aber es war nur ein Moment. Denn nach einem einleitenden Willkommen und einer kurzen Vorstellung des Redakteurs überschlugen sich unsere Fragen. Fragen, die den Terror-Experten persönlich betrafen, aber vor allem solche, die sich um die Rolle der Medien, deren Verantwortung und Mittel drehten. Wie vorsichtig werden Begriffe wie Islamist und Dschihadist eingesetzt? Wie geht ein Journalist bei der Arbeit vor? Mit viel Witz und spannenden Beispielen ging Yassin Musharbash auf unsere Fragen ein und gab uns interessante Einblicke in die Welt der Presse. Selbst die härtesten SPIEGEL-Kritiker unter uns mussten feststellen, dass ihre Vorstellungen davon, wie Medien funktionieren scheinbar nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Sie können auch ganz sympathisch wirken, vor allem dann, wenn sie viel Wert auf differenzierte Berichterstattung legen.
In den zwei Stunden gingen wir auf ausgewählte Artikel des Reporters ein, hatten aber an den Texten zu Minarett- oder Burkaverbot kaum etwas zu bemängeln. So gerieten wir immer wieder schnell in andere Themenfelder und sprachen über „Wald-und-Wiesen-Muslime“, über Wahrheit, Wahrhaftigkeit und natürlich Integration. „Das Kopftuch ist überhaupt kein Integrationshemmnis“, machte Yassin Musharbash dabei klar und betonte, dass er als Sohn eines jordanischstämmigen Vaters durchaus Gemeinsamkeiten mit den Muslimen nichtdeutscher Herkunft hat, auch wenn er selbst kein Muslim ist. Er rät den Muslimen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und trotz Islamismus, Terrorismus und co. ihren Glauben als unantastbaren Teil ihrer Identität zu wahren.
Schließlich verging die Zeit so schnell, dass wir etwas enttäuscht waren, als einige Fragen aus Zeitgründen offen bleiben mussten. Aber vielleicht können wir auf ein erneutes Treffen hoffen. Auf alle Fälle haben wir viel mitnehmen können. Und vielleicht hat auch Yassin Musharbash etwas gewonnen; neue Leser – und zwar kritische.“
Anscheinend hat auch Yassin Musharbash das Gespräch mit den Jugendlichen gefallen. Er meinte im Anschluss:
„Das Treffen war faszinierend, schon weil die Diskussion so offen, ehrlich und engagiert war. Ein Projekt, dem es gelingt, junge Menschen – egal welchen Hintergrunds – mit solchen Personen zusammen zu bringen, mit denen sie ausführlich über ihre Anliegen sprechen können, ist ein gutes Projekt.“
Wie ein Schlag traf einen diese Nachricht, „Explosion im norwegischem Regierungsviertel“. Zu diesem Zeitpunkt hat noch keiner absehen können, welche Nachwirkungen, Emotionen und Fragen diese Schlagzeile mit sich tragen wird. Sofort habe ich an 9/11 gedacht und fühlte genau, dasselbe wie vor 10 Jahren. Vielleicht fragen wir uns in einer Dekade, dieselbe Frage wie bei 9/11 und zwar: wo warst du als es passierte?
Leider war das nicht die einzige schlechte Nachricht, binnen weniger Minuten erreichte uns eine schrecklichere Meldung, was sich kaum jemand vorstellen vermag. Auf der kleinen norwegischen Insel Utøya eröffnete ein Mann in Polizeiuniform das Feuer, auf Jugendliche, die gerade an einem Jugendlager teilnahmen. Das traurige Ergebnis dieses Doppelanschlags sind 76 Menschen, die ihr Leben gelassen haben.
Neben den Emotionen, welche ich als kleiner Junge am 11.09.2001 fühlte, hatte sich nach dem Lesen dieser Nachrichten ein Gefühl der Leere in mir breit gemacht. Sofort schossen mir viele Fragen durch den Kopf. Kann das sein? Wer ist dieser Mensch? Und die Frage, die uns alle beschäftigt, wieso?
Wie auch bei 9/11 war der Täter extrem in seiner Einstellung. Er stellte sich als Templer(chr. Ritterorden, der während den Kreuzkriegen aktiv war) dar, sah sich als Revolutionär, jemand der Europa vor der drohenden Islamisierung retten muss. Seine Gegenspieler konnte Anders Behring Breivik, der Attentäter, auch benennen. Es sind, nach seiner Ansicht, Menschen mit linker politischer Haltung. Mein Gedanke bei diesen Motiven war, wieder einer der die Religion als Vorwand nutzt, um andere Menschen zu verletzen bzw. zu töten. Egal wie Gewalt motiviert ist, ob links, rechts oder theologisch, niemals kann es für mich einen Grund geben, um solche inhumanen Unternehmungen zu rechtfertigen.
Es kommt einer Verhöhnung der Angehörigen und der Werte in der westlichen Zivilisation gleich, wenn der Täter der Meinung ist, er habe „nichts Strafbares“ getan. Bei solchen Aussagen empfinde ich auf der einen Seite Trauer und auf der anderen Seite tiefste Verachtung. Die Trauer kommt dadurch zustande, dass der Täter, der als christlicher Fundamentalist gilt, den Sinn seiner Religion nicht verstanden hat. Liebe deinen Nächsten und du sollst nicht töten, zeigen doch auf, dass das Christentum nicht für solche Attentate missbraucht werden kann.
Auch wenn es doppelzüngig wäre hier von Verachtung zu sprechen, so kann ich nicht verhehlen, dass ich für diesen Mann vorwiegend Verachtung empfinde. Obwohl ihm dargelegt wird, was er verbrochen hat, denkt er, er habe richtig gehandelt. Der Täter gibt vor der Justiz zu, dass er diese abscheuliche Tat aus Hassgründen begangen hat, dennoch zeigt er keine Reue. Dies lässt ihn für mich verachtungswürdig erscheinen.
Allerdings hat Hass erst zu dieser Tat geführt, deswegen sollten wir alle darüber nachdenken, wie wir unseren Mitmenschen entgegen treten und ob wir hier und dort nicht doch etwas toleranter sein könnten.
Im weiteren Verlauf der Berichterstattung wurde erwähnt, dass Anwohner und Urlauber, die auf der Insel waren, den Jugendlichen zu Hilfe geeilt sind. Für mich ist diese kleine Randinformation von größter Wichtigkeit. Denn hier können wir erkennen, dass in jedem von uns noch etwas Menschliches steckt und die Welt nicht nur aus den Anschlägen in New York, London, Madrid oder auch in Oslo besteht.
In meinem Schlusswort will ich noch einmal allen Angehörigen der Opfer mein Beileid aussprechen. Es ist immer schwer jemanden zu verlieren, dennoch sollte man sich nie die Lebenslust von Extremisten nehmen lassen. Das kann nicht im Sinne der Opfer sein. Wir sollten nun zusammen Stärke zeigen und beweisen, dass Fundamentalisten uns nicht einschüchtern können.