“Zwischen leichtem Stimmenfang und differenzierter Auseinandersetzung mit dem Islam”
Die politisch interessierten unter den JUMA Teilnehmern fanden sich in dieser Themengruppe zusammen, um zum Einen untereinander über politische Trends zu sprechen. Sie nutzen jedoch den Zugang zu wichtigen Entscheidungsträgern in der Politik, denen JUMA ihnen bot, um vor allem genau diese Trends mit ihnen zu diskutieren.

Der Pate der AG Mounir Azzaoui (32) ist Politikwissenschaftler und promovierte an der RWTH Aachen. Als Stipendiat hat er zwei Jahre lang an der Georgetown University in Washington DC zu amerikanisch-muslimischen Interessenorganisationen geforscht. Schwerpunkte seiner Arbeit sind religionspolitische Fragen, wie etwa die Einführung von Islamischem Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen in Deutschland, Öffentlichkeitsarbeit und Organisationsentwicklung von Moscheen. Mounir Azzaoui war Mitglied einer AG der ersten Deutschen Islam Konferenz. Im Jahr 2007 war er Gründungsmitglied des „Arbeitskreis Grüne MuslimInnen“ bei Bündnis90/Die Grünen. Von 2001 bis 2006 hat Azzaoui als Pressesprecher für den Zentralrat der Muslime in Deutschland gearbeitet und war in dieser Zeit auch Koordinator für den bundesweiten Tag der offenen Moschee am 3. Oktober.
Frage: In welchen Momenten Ihres Lebens haben Sie sich als Teil der Gesellschaft gefühlt? In welchen Momenten nicht?
Als deutscher Muslim mit marokkanischen Wurzeln habe ich mich immer als Teil der deutschen Gesellschaft gesehen, unabhängig von bestimmten Einzelerfahrungen. Auch wenn es sicherlich Situationen gab, die sich bei mir besonders eingeprägt haben. Als ich die Zusage für mein Stipendium von der Studienstiftung des deutschen Volkes bekommen habe, um fast zwei Jahre in den USA für meine Promotion zu forschen, war das eine sehr positive Erfahrung. Mein Migrationshintergrund schien, keine Rolle zu spielen und mein politisches Engagement für Muslime in Deutschland war kein Nachteil. Ich hatte das Gefühl, dass man mich akzeptierte so wie ich bin.
Moderator: Muhammad Hajjaj
AG Politischer Diskurs
Das Treffen mit der Berliner Verfassungsschutzbehörde hielt, was es versprach: Es war ein Highlight des bisherigen JUMA-Projekts. Am 5. Oktober 2011 trafen 15 Jugendliche des JUMA-Projekts die Pressesprecherin und einen Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Spannend war es vor allem deshalb, weil einige Teilnehmer selbst in Moscheen aktiv sind, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Eingangs wurde unser Projekt vorgestellt. Anschließend fasste eine Teilnehmerin zusammen, was die Aufgaben und der Zweck des Verfassungsschutzes sind. Die Pressesprecherin lobte die Zusammenfassung und hatte nur noch wenig hinzuzufügen. Mehrere Teilnehmer erklärten die Wichtigkeit der Behörde für den Schutz unserer Gesellschaft. Ein Teilnehmer: „Ich bin froh, dass es Sie gibt, denn wir könnten gar nicht diese ‚bösen Brüder‘ erreichen.“
Nach der allgemeinen Vorstellung des Verfassungsschutzes präsentierte dann der Mitarbeiter aus dem Bereich Islamismus, wie die Behörde aktuelle öffentliche Debatten zum Islam und Muslime beurteilt, wie sie differenziert zwischen Islamistische Terroristen, gewaltorientierte, regional gewaltausübende, gewaltbefürwortende und legalistische Islamisten.
Die spannendste Debatte führten die Teilnehmer über den Moscheenverband Milli Görrüs und drei Berliner Moscheen, denen der Verfassungsschutz Nähe zur Muslimbrüderschaft zuschreibt. Zunächst schilderten drei Jugendliche ihre persönlichen Eindrücke von diesen Organisationen, erzählten davon, dass sie sich an keine Predigten oder Aussagen erinnern können, die sich nicht mit den Werten der westlichen Demokratie vereinbaren ließen. Vom Verfassungsschutz wurde hingegen auf Vorstellungen verschiedener Propagandisten muslimischer Bewegungen im Ausland hingewiesen, die im Widerspruch zu diesen Werten stehen. Wenige Differenzen gab es zwischen den Jugendlichen und den Mitarbeitern bezüglich der Befürchtung, dass in Zukunft Islamfeindlichkeit weiter zunehmen könnte.
Schließlich ging es noch darum, welche Folgen die Erwähnung im Verfassungsschutz für einzelne Mitglieder der genannten Vereine hat und welche Möglichkeiten es für Organisationen gibt, aus der Beobachtung wieder herauszukommen. In dem Zusammenhang erzählte ein Jugendlicher, dass eine Moschee in Aachen lange Zeit vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet wurde, beide Seiten dann zusammenkamen und Bedingungen dafür aufgestellt wurden, dass die Moschee nicht mehr in dem Bericht erwähnt wird. Mittlerweile wird die Moschee nicht mehr beobachtet. Vielleicht wäre ja eine solche Entwicklung – hin zu den Werten der freiheitlich demokratischen Grundordnung – auch für Berliner Moscheen denkbar.
Kommentar von unserem Paten Mounir Azzaoui:
Vielen Dank für den interessanten Bericht. Zu dem am Schluss erwähnten Dialog zwischen dem NRW-Verfassungsschutz und einer Aachener Moschee eine Anmerkung: Es ging dabei nicht darum, dass die Moschee vor dem Dialog nicht auf dem Boden des G…rundgesetzes stand und sich dann dorthin entwickelt hat. Es ging vielmehr um öffentliche Klarstellungen, welche für die Moschee weitgehend selbstverständlich waren, auf die jedoch der VS einen besonderen Wert gelegt hat. Man kann nur hoffen, dass es zwischen Berliner Moscheen und dem Berliner Verfassungsschutz zu ähnlichen Gesprächen kommt und erkannt wird, dass man gar nicht soweit auseinander liegt. Der jetzige Zustand, dass Moscheen und Vereine die gegen jede Form von Gewalt und Extremismus sind und viel Integrationsarbeit leisten unter Beobachtung stehen, ist unhaltbar und kann nicht im Sinne der Sicherheit in unserem Land sein.